Veranstaltung: | Gründungsversammlung |
---|---|
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.09.2021, 14:31 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU6: Selbstverständnis
Antragstext
Die Herausforderung
In unserer Gesellschaft sind Black and Indigineous People of Colour (BIPoC) und
Menschen mit rassifizierten Diskriminierungserfahrungen nach wie vor an
entscheidenden Stellen unterrepräsentiert. Der Zugang zu gesellschaftlicher
Teilhabe ist bei Weitem nicht ausreichend gewährleistet.
Es gibt keine gesellschaftlichen Räume, die diskriminierungsfrei sind. Die
hiesige Gesellschaft ist in Dominanz- und Machtverhältnissen verstrickt, deren
rassistische Prägung durch Kolonialismus und Nationalsozialismus nicht von der
Hand zu weisen ist.
Die intersektionale Perspektive zeigt, dass sich Formen der Benachteiligung
nicht einfach aneinanderreihen lassen, sondern in ihren Verschränkungen und
Wechselwirkungen Bedeutung bekommen. Kategorien wie Geschlecht, Race, Alter,
Klasse, Ability oder Sexualität wirken nicht allein, sondern vor allem im
Zusammenspiel mit den anderen. Mit der intersektionalen Perspektive sind die
vielfältigen Ungleichheiten und Machtverhältnisse sichtbarer und komplexer.
Die Deutungshoheit der Mehrheitsgesellschaft zeigt sich heute insbesondere in
ihrer Ignoranz historisch gewachsener Privilegien. Fehlende Zugangsmöglichkeiten
in Bildung, Politik und Beruf bzw. die Weiße Dominanz in diesen
gesellschaftlichen Teilbereichen werden nicht als struktureller Rassismus,
sondern vielmehr als individuelles Versagen der Minderheiten ausgelegt. Die
gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe “anderer”, nicht-deutscher
Herkunftskulturen und die Anerkennung ihrer Perspektiven sind seit Jahren ein
hehres politisches Ziel, jedoch bleibt es meist nur bei einem Lippenbekenntnis.
Auch unsere Partei bildet nicht die Vielfalt der deutschen Gesellschaft ab.
Sieht man sich die Führungsstrukturen der Grünen an wie zum Beispiel
Listenaufstellungen und die Besetzung von Sprecher*innenfunktionen, ergibt sich
häufig ein Bild, das unserer Selbstwahrnehmung als offener und antirassistischer
Partei nicht gerecht wird.
Unsere Vision
Die Grünen als Vorreiter-Partei, in der
- alle Mitglieder gleichwertig mitwirken können und keine Gruppe
benachteiligt wird,
- die Komplexität und die Ressourcen von Menschen und ihren Biografien
Berücksichtigung und Anerkennung findet,
- Minderheitenrechte als tragende Werte des Grundgesetzes nicht nur
theoretisch, sondern auch praktisch umgesetzt werden.
Unsere Ziele
„Die Vielfalt unserer Partei ist unsere Stärke. Wir teilen politische Macht und
verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen
offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und Ansätze. Wir sind
auf vielfältiges biographisches Erfahrungswissen und vielfältige Perspektiven
aus der ganzen Breite der Gesellschaft angewiesen, um als Partei umfassende
Antworten auf Fragen zu finden, die uns als gesamte Gesellschaft betreffen.“
(Vielfaltsstatut, Dez. 2020)
Wir greifen die Zielsetzungen des Vielfaltsstatuts auf. Unser Ziel ist die
Sichtbarmachung und Befreiung von diskriminierenden und benachteiligenden
Strukturen innerhalb unserer Partei und die Repräsentation von BIPoCs und
Menschen mit rassifizierten Diskriminierungserfahrungen in allen
Parteistrukturen und auf allen Ebenen mindestens entsprechend ihres
Bevölkerungsanteils.
Wir wollen auf der Basis unserer Vielfalt und der unterschiedlichen Erfahrungen
unserer Mitglieder daran arbeiten, in unserer Partei und über diese in der
deutschen Gesellschaft Verbesserungen zu erreichen. Dies ist die Voraussetzung
dafür, dass die Vielfalt in unserer Partei von einem Potenzial zu einer
wirklichen Stärke werden kann.
Unsere Forderungen
Wir verstehen Empowerment ausschließlich als Selbstermächtigung. In diesem
Kontext fällt den Mitgliedern der Dominanzgesellschaft die Aufgabe zu, sich
ihrer Privilegien und gesellschaftlichen Ressourcen Gewahr zu werden und diese
gerecht umzuverteilen, also ein sogenanntes Powersharing.
Praktisch umzusetzen ist dies durch die Einführung einer Quote für BIPoCs und
Menschen mit rassifizierten Diskriminierungserfahrungen, parallel zu der bereits
bestehenden Frauenquote in unserer Partei, die sich an ihrem Bevölkerungsanteil
orientiert.
Darüber hinaus setzen wir uns für die Stimmberechtigung von Migrant*innen bei
Wahlen auf kommunaler Ebene ein und fordern eine entsprechende Berücksichtigung
und Gewichtung im Wahlprogramm.
Des Weiteren soll jeder Kreisverband regelmäßige und je nach Funktion
verpflichtende Workshops und Klausurtagungen im Bereich Anti-Rassismus und
Critical Whiteness anbieten, in denen eine Auseinandersetzung mit Rassismus und
dem eigenen Weißsein stattfinden kann.
Unsere Selbstverpflichtung
Unsere Definition von Empowerment ist ein gemeinsamer, solidarischer und
selbstbestimmter Weg zur Überwindung von sichtbaren und unsichtbaren
Machtdivergenzen. Wir verstehen uns als geschützter Raum für BIPoCs und Menschen
mit rassifizierten Diskriminierungserfahrungen. Innerhalb unseres Netzwerks
können wir unsere Positionen entwickeln, Sachverhalte aus unserer Perspektive
beleuchten, unsere Erfahrungen austauschen und uns gegenseitig bei der
Entfaltung unseres Potenzials unterstützen.
Im Rahmen dessen lassen wir das Thema Mehrfachdiskriminierung nicht außer Acht
und reflektieren unsere eigene Positionierung in Bezug auf ethnische
Zugehörigkeit, Geschlecht, sexuelle und geschlechtsbezogene
Identitätsbehinderung, äußere Merkmale wie Hautfarbe oder Figur, Religion und
weitere Differenzlinien wie sozialer Status oder Bildungshintergrund und den
damit einhergehenden Diskriminierungsmechanismen und Konflikten innerhalb der
BIPoC- Gemeinschaft.
Wir bieten uns aktiv als erste innerparteiliche Anlaufstelle für Betroffene von
Diskriminierung und Benachteiligung an sowie als Mediator*in bei
innerparteilichen Konflikten. Darüber hinaus fungiert das Netzwerk als interner
Ressourcenpool, der den (politischen) Wissenstransfer innerhalb der BIPoC-
Gemeinschaft, durch regelmäßige Fortbildungen und Diskussionsforen, sichert und
erweitert. Hierzu stellen wir eine konkrete Vernetzungs- und Diskussionsstruktur
zur Verfügung.
Wir organisieren uns hierarchiearm, solidarisch und transparent. Unsere
Arbeitsabläufe und Entscheidungswege sind auf eine basisdemokratische
Einbeziehung der Netzwerkmitglieder ausgerichtet. Gleichzeitig achten wir darauf
arbeitsfähig, konstruktiv und produktiv zu bleiben. Strukturell organisieren wir
uns als Grüne Umfeldorganisation, die selbstbestimmt und gleichzeitig an die
Partei angebunden agiert und nach Außen auftritt.
Das Selbstverständnis wird stetig fortentwickelt.
Stand 16.04.2021
Kommentare